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Vor Jahren sagte mein Abteilungsleiter in einem Team-Meeting, dass eine wichtige Systemänderung nicht umsetzbar sei, da der manuelle Aufwand zu groß sei. Er sagte: „Wir können dafür ja nicht irgendwelche N***er einstellen, die …“ und verstummte. Er merkte, dass ich, eine Schwarze Person im Meeting saß und er lachte lauthals. Ich war sprachlos. Meine Kolleg*innen reagierten nicht.

Es gibt Momente im Leben, da brauchen wir einfach Unterstützung. Mir ging es häufig so. Wenn sich schon niemand in Situationen, in denen ich offensichtlich rassistisch diskriminiert wurde, für mich einsetzt, dann möchte ich wenigstens zu einem späteren Zeitpunkt mit Menschen darüber sprechen. Ich brauche Menschen, die mir Trost spenden, meinen Schmerz sehen und mich aufbauen. Leider passiert allerdings genau das Gegenteil und ich höre Sätze wie „Ich bin ja wirklich gegen Rassismus, aber…“, „Mein Sohn hat auch Locken und ihm wird in die Haare gefasst“, „Es ist doch nur gut gemeint, wenn man wissen möchte, woher Du kommst…“ und „Wenn Du immer denkst, dass die Leute Dich komisch ansehen, dann wird es für Dich sicher irgendwann zur Realität.“ Meine Diskriminierungserfahrungen werden klein geredet, relativiert oder als „nicht-böse-gemeint“ abgetan.

Mir tut das als Schwarze Person besonders weh. Ich fühle mich dann nicht gehört, nicht gesehen oder nicht verstanden. Es gab sogar Zeiten in denen ich tatsächlich dachte, dass ich mir wohl nur einbilde, gewisse Situationen seien schlimm. Gespräche mit anderen Schwarzen Menschen allerdings bestätigten, dass ich mit meinem Schmerz und Trauma nicht alleine bin. Mittlerweile gibt es zahlreiche Bücher*, die genau jene Szenen beschreiben, die mich in meinen Alltag begleiten, seitdem ich denken kann.

So sehr ich auch Befürworterin von Diversität und verschiedener Perspektiven bin: Menschen brauchen manchmal einfach sichere Räume in denen sie vorurteilsfrei angenommen und verstanden werden, wie sie sind. Als Coach, die Menschen bei ihren Veränderungen begleitet, habe ich mir häufig die Frage gestellt, ob es wichtig es ist, dass ich meinen Kund*innen ähnele.

Ich persönlich bin der Meinung, dass es nicht zwingend wichtig ist, solange ich als Coach professionell arbeite. Dennoch macht es einen Unterschied, wenn ich mich in einem Coachinggespräch erklären oder sogar rechtfertigen muss. Dieser Umstand macht es nahezu unmöglich, eine vertrauensvolle Basis für eine wertschätzende Beziehung aufzubauen und somit effektiv zu einer Lösung zu kommen. Nicht ohne Grund gibt es Executive, Leadership und Business Coaches, welche auf Branchen spezialisiert sind und dieselbe Sprache ihrer Kund*innen sprechen.

Neben all den Expert*innen gibt es deswegen auch mich. Als queere Frau of Color kenne ich Diskriminierungserfahrungen, da ich an einer Kreuzung stehe an der mich Sexismus, Rassismus sowie Queerfeindlichkeit treffen können – manchmal gleichzeitig aus allen drei Richtungen (Intersektionalität). Ich bemühe mich um gendergerechte und inklusive Sprache und bin offen gegenüber Menschen aus allen ‚Walks of Life‘. Auch wenn ich selbst privilegiert bin, habe ich eine große Portion Empathie in meinem Herzen für Menschen mit anderem sozialem oder kulturellem Backgrounds sowie für Menschen mit Behinderungen.

Und ja sicher, meine Kund*innen sind auch weiß, männlich und heterosexuell. Sie alle verbindet der Wunsch nach mehr Toleranz, sie allesamt sehen Farben und setzen sich auf ihre Weise für Gleichberechtigung ein.

Schwarze Menschen, BIPoC sowie LGBTQIA Menschen treffen bei mir allerdings auf einen ganz besonders sicheren Ort und werden bei mir so angenommen, wie sie sind.

Meine Buchempfehlungen

  • Layla F. Saad: Me And White Supremacy, 2020
  • Reni Eddo-Lodge: Warum ich nicht länger mit Weißen über Hautfarbe spreche, 2018
  • Robin DiAngelo: White Fragility: Why It’s So Hard for White People to Talk About, 2018

Glossar

  • Schwarz
    Der Begriff Schwarz ist eine Selbstbezeichnung und bezieht sich nicht auf biologische Merkmale einer Person, sondern auf ihre Position in einem sozialen Konstrukt. Schwarz wird großgeschrieben, um zu verdeutlichen, dass es nicht um die Hautfarbe geht, sondern um eine konstruierte Zuordnung. Demnach bedeutet Schwarz-Sein nicht, einer angenommenen ‚ethnischen Gruppe‘ zugeordnet zu werden, sondern auch mit der gemeinsamen Rassismuserfahrung verbunden zu seinÄrzte, Philosophen sowie Anthropologen wie Bernier, Linne, Buffon oder Kant unterteilten Menschen in Rassen und leiteten anhand der Hautfarbe Entwicklungsstufen ab und sprachen ihnen bestimmte psychische Merkmale zu. So waren Menschen mit dunklerer Hautfarbe weniger wert, unzivilisierter und dümmer als Weiße (Zerger, Johannes, 1997, Was ist Rassismus? : eine Einführung). Mehr zu Formulierungshilfen finden Sie hier.
  • BIPoC – Black Indigenous Person of Color
    Der Begriff BIPoC ist eine Selbstbezeichnung und steht für Black Indigenous, Person oder People of Color. Er fasst all jene Menschen zusammen, die von Rassismuserfahrungen betroffen sind und erkennt an, dass nicht alle nicht-weißen Menschen mit dem gleichen Maß an Ungerechtigkeit konfrontiert werden. Indem Schwarze und Indigene ausdrücklich beim Namen genannt werden wird anerkannt, dass Schwarze und Indigene mit den schlimmsten Folgen der systemischen weißen Vorherrschaft (White Supremacy), des Klassismus und den Folgen des Kolonialismus konfrontiert sind.
  • Queer
    Queer umfasst vielfältige Formen von sexueller/romantischer Orientierung und Geschlechtsidentitäten, die von der Norm (Hetero- und Cisnormativität) abweichen.
  • LGBTQIA*
    Das Akronym kommt aus dem Englischen und ist eine Selbstbezeichnung für: Lesbian, Gay, Bisexual, Transgender, Queer, Intersex und Asexual. Im Deutschen wird auch LSBTI (lesbisch, schwul, bisexuell, trans- und intergeschlechtliche Menschen) verwendet. Weitere Begrifflichkeiten werden hier erklärt.

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